Wikipedia-Pausanias-Fake-Mythos

Der Wikipedia-Pausanias-Fake-Mythos von Narziss

Im Jahr 2005 wurde in der deutschen Wikipedia-Seite zum Begriff „Narziss“ unter dem Namen „Georgios“ eine frei erfundene Geschichte über Narziss eingestellt, die ihn zu einer Witzfigur herabgewürdigt: Ein in das Wasser fallende Blatt habe durch die erzeugten Wellen das Spiegelbild des Narziss verzerrt. Von dem Eindruck, er sei hässlich, sei er so geschockt gewesen, dass er gestorben sei. Dieser Fake-Mythos, der dem Pausanias zugeschrieben wird, nenne ich also Wikipedia-Pausanias-Fake-Mythos. Die Details sind hier nachzulesen.

Reingefallen

Ich habe eine – wohl unvollständige – Liste von über 80 Texten zusammengestellt, die auf diesen Wikipedia-Pausanias-Fake-Mythos hereingefallen sind – darunter etliche ProfessorInnen. So also funktioniert „Wissenschaft“, „Journalismus“, „Beratung“ und „Coaching“: Die simpelsten Regeln des Recherchierens und des Begriffe-Klärens werden nicht eingehalten. Man hat im Grunde keine Ahnung, wovon man spricht – schwätzt aber doch gerne mit.

Nicht-Verstehen und Mitreden-Wollen

Das ist im Grunde so lächerlich, dass es schon wieder geradezu witzig ist. Zu diesem Nicht-Verstehen und doch Mitreden-Wollen ist mir unlängst nochmal ein Witz eingefallen, den ich als Kind gehört, aber damals wohl noch nicht wirklich verstanden hatte.

Ein Witz

Bei einer Abendgesellschaft, bei der auch Fritz Müller zugegen ist, weckt ein Gast die Aufmerksamkeit: Er bietet an, den Anwesenden eine Denkaufgabe zu präsentieren. Alle sind begeistert. So bittet dieser Gast die Dame des Hauses, ihm doch eine Handvoll Bohnenkerne zu bringen. Diese Bitte ist rasch erfüllt. Aus dem Häufchen, das nun vor dem Gast auf dem Tisch liegt, nimmt dieser eine Bohne heraus und legt sie etwas abseits nieder. Dann deutet er auf die einzelne Bohne: „Was ist das?“ Alle denken angestrengt nach, niemand findet die Lösung. „Bohn apart!“ sagt schließlich der Gast – und ein herzhaftes Lachen erfüllt den Raum. Auch Fritz Müller ist davon angesteckt.

Kurz darauf ist Fritz Müller erneut bei einer Abendgesellschaft zu Gast. Er erinnert sich des Scherzes, der so gut angekommen war, und bietet nun seinerseits an, den Anwesenden ein Rätsel aufzugeben. Alle sind begeistert, und so bittet er die Dame des Hauses, ihm doch eine Handvoll Bohnenkerne zu bringen. Diese verschwindet in der Küche, kommt aber erst nach längerer Zeit wieder zurück. Sie habe trotz angestrengten Suchens keine Bohnenkerne finden können. Ob er denn auch mit einer Handvoll Erbsen Vorlieb nehmen könne? „Na klar, die tun’s auch!“, lässt sich Fritz Müller frohgemut vernehmen. Aus dem Häufchen Erbsen nimmt er nun eine Einzelne heraus und legt sie etwas abseits nieder. „Was ist das?“, fragt er – auf die einzelne Erbse deutend – triumphierend in die Runde. Alle denken angestrengt nach. Niemand findet die Lösung. „Na – der Napoleon!“, bricht es schließlich aus Fritz Müller heraus.

Fritz und Friederike Müller

Die ganzen Schreiberlinge, die sich auf so verständnislose Weise mit dem klugen Mythos des Narziss beschäftigen, wieder und wieder triumphierend ihre verständnislosen Fehldeutungen vortragen, erinnern mich an diesen Fritz Müller. Der Unterschied ist nur, dass diese Fritz und Friederike Müllers in großer Zahl in „Wissenschaft“ und „Forschung“ vertreten sind, dass sie massenhaft den „Journalismus“, die „Berater-Szene“, die Kreise der „Intellektuellen“ dominieren, dass sie bei ihrem sinnlosen Gebrabbel stets von einem großen Publikum von Fritz und Friederike Müllers begeistert geliked, gelobt und beklatscht werden. Fritz und Friederike Müllers also, wo man nur hinsieht.